Jean-Frédéric Neuburger
»Faits et gestes« World premiere
Robert Schumann
Concerto for piano and orchestra a minor op. 54 (1841-45)
Symphony No. 1 B flat major op. 38 »Spring Symphony« (1841)
- Jean-Frédéric Neuburger Piano
- Gürzenich-Orchester Köln
- François-Xavier Roth Conductor
»I wrote the symphony, if I may say so, in that rush of spring which carries a man away even in his old age, and comes over him anew every year«, Robert Schumann rhapsodised about the creative outpouring in which, in only four days in January 1841, he put his first symphony on paper. A longing for spring permeates the work, which opens in the horns and trumpets. The work commissioned from the young Frenchman Jean-Frédéric Neuburger promises a similar lightness. He has a »capriccio« in mind, a breach of rules and norms both wilful and joyous. With its effervescent character, it contrasts with Robert Schumann’s contemplative piano concerto in A minor, where Jean-Frédéric Neuburger can also be experienced as the pianist. Schumann’s young wife Clara Schumann was enthusiastic when she for the first time played what later became the first movement: »The piano is so skilfully interwoven with the orchestra, you cannot conceive of one without the other.« The virtuoso will also have decoded the declaration of love hidden in the main theme – the four letters of her name translated into Italian: »C h ( i ) a ( r ) a«.
Schumann und Köln
Eine freundliche Beziehung
In der Spielzeit 2018/19 widmet François-Xavier Roth Robert Schumann einen Schwerpunkt. Martin Geck zeichnet Verbindungslinien nach zwischen Schumann und Köln und führt in den einzigartigen Kosmos seiner Musik ein.
Von Heidelberg aus unternimmt der 20-jährige Jurastudent Robert Schumann allerlei Reisen in die nähere und weitere Umgebung. Am 25. September 1830 betritt er um 6 Uhr früh in Mainz den Rheindampfer, der ihn nach Köln bringen soll. »Tolles Leben auf dem Dampfboot« notiert er in seinem Tagebuch. Und weiter: »Ankunft in Cöln – furchtbares Gedränge u. Unordnung – amüsant und lustig – Gasthof zum Rheinsberg – die groben Markörs (Kellner) – Table d’hôte – der Engländer und englische Uebungen – die liebe schüchterne Deutsche neben mir – der beleuchtete Rhein – trübe Nacht – Schönes Zimmer nach der Reingegend – prächtiger Schlaf – den Plan, einen Tag in Cöln zu bleiben wegen eintretenkönnenden Geldverlegenheiten aufgegeben.« Fast auf den Tag genau 20 Jahre später fährt er von seinem neuen Wirkungsort Düsseldorf aus mit der Eisenbahn nach Köln und hält nunmehr im Tagebuch fest: »Der Dom. – Tolles Gesindel. – Bellevue – Rubens Geburtshaus – St. Peter= Kirche. Um 7 Uhr zurück.« Die Gattin Clara äußert sich ausführlicher: »Sonntag den 29. fuhren wir zu unserer Zerstreuung nach Köln, das uns gleich beim ersten Anblick von Deutz aus entzückte, vor allem aber der Anblick des grandiosen Domes, der auch bei näherer Betrachtung unsere Erwartungen übertraf.«
Mit und ohne Robert in Köln
Hat Schumann bei dieser Gelegenheit die Anregungen für den vierten Satz seiner »Rheinischen Sinfonie« erhalten, der die Bezeichnung »feierlich« trägt und bei der Uraufführung mit den Worten beschrieben war: »Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Ceremonie«? Die frühe Biografik wollte sogar wissen, der Komponist habe sich von einer Kardinalserhebung im Kölner Dom anregen lassen. Ob dies im Detail stimmt oder nicht: Gewiss enthält die »Rheinische Sinfonie« narrative Momente, die schon in einer Besprechung der Uraufführung deutlich hervorgehoben wurden. Dort ist von einem Werk die Rede, das »ein Stück rheinisches Leben in frischer Heiterkeit« entrolle, im zweiten Satz »an schöne Wasserfahrten zwischen rebengrünen Hügeln und freundliche Winzerfeste« denken lasse, während der »Tondichter« im dritten Satz sein Haupt »sinnend in’s alte Burgfenster lehne«, bevor ihn im Finale »feine Waldhornklänge« in die Gegenwart zurückrufen. Ohne ihren in der Heilanstalt Endenich weilenden Gatten besucht Clara Schumann die Stadt Köln in Begleitung von Johannes Brahms am 24. März 1855 anlässlich einer Aufführung von Beethovens »Missa solemnis« durch die dortige »Concert-Gesellschaft« – den unmittelbaren Vorläufern der ab 1857 stattfindenden Gürzenich-Concerte. Die Beziehung zwischen Robert Schumann, Clara Schumann und Johannes Brahms hat immer wieder Spekulationen über eine »Dreiecksgeschichte« genährt, die keineswegs so pikant gewesen sein muss, wie sie in der Schumann-Literatur gern dargestellt wird: Mangels aussagekräftiger Quellen ist weiterhin größte Dezenz angesagt. Indessen ist unbestritten, dass der junge Johannes Brahms in Clara Schumann verliebt war und dass diese sich diese Liebe gern gefallen ließ und zumindest in schicklichem Rahmen erwiderte. Wer wollte das einer Frau verübeln, die für sechs Kinder zu sorgen hatte und auf die Zuwendung ihres Gatten weitgehend verzichten musste? Ohne sich für diese biographischen Details zu interessieren, erarbeitet der italienische Komponist Stefano Gervasoni eine »komponierte Interpretation« von Liedern und Duetten Robert Schumanns, die um das Thema »Liebesverrat« kreist und im zweiten Sinfoniekonzert den Schumann-Schwerpunkt einläutet. Man darf Gervasonis Komposition auch als eine Hommage à Heinrich Heine deuten, der die Verse für Schumanns »Dichterliebe« op. 48 lieferte. Diesem Liederzyklus sind denn auch vier der zwölf Liedvorlagen entnommen. Textlich handle es sich um eine »Dreiecksgeschichte« zwischen einem älteren Mann, einer jüngeren Frau und einem noch jüngeren Mann. Indem man Heine ins Spiel bringt, der sich ja auf diversen Liebeskummer und –verrat bestens verstand, entgeht man dem Zwang, die Textfolge vordergründig biographisch zu deuten.