Eine Entdeckung
Einen Glücksfall für die weitere Rezeption dieser Werke stellt jedenfalls ihre Einspielung durch Christopher Ward und das Gürzenich Orchester Köln dar.
nmz.de»Was die Musik an ihm verloren hat, ist gar nicht zu ermessen.« - so schrieb Gustav Mahler über den allzu frühen und tragischen Tod seines Freundes und Studienkollegen Hans Rott. Mahler hatte mit ihm gemeinsam bei Anton Bruckner in Wien studiert und war mit seinen Werken bestens vertraut. Was der kosmopolitische Schmelztiegel Wien am Endes des 19. Jahrhunderts an musikalischen Einflüssen zu bieten hatte, sog Hans Rott in sich auf. Die Klangwelten Mendelssohns und Anton Bruckners, die kontrapunktische Meisterschaft von Johannes Brahms und schließlich die harmonischen Wunder eines Richard Wagner, das alles war das Fundament seiner Kompositionen. Was er darauf errichtete, war wie ein Blick in ferne Welten: weitschwingende Melodien, die umstandslos erhabene Momente mit lapidaren, volksmusikantischen Einfällen verbinden, nicht enden wollende epische Steigerungen, die dann plötzlich zusammenbrechen, Fugensätze, die man in dieser Meisterschaft erst wieder bei Max Reger finden wird, eine Harmonik, die in ihrer Dichte und Intensität schon ins 20. Jahrhundert weist. Wenn auch vieles nur Fragment blieb, skizzenhaft, oder in manchen Fällen gar nur als Partiturentwurf vorliegt: immer ist das Genie erkennbar, findet die Musik zu einer eigentümlichen Tiefe und Intensität.
Christoper Ward stellt auf dieser CD, der ersten von zweien mit sämtlichen Orchesterwerken Hans Rotts, Werke aus dessen Studienzeit vor. Keines davon wurde vermutlich zu seiner Lebzeit je aufgeführt. Die »Hamlet-Ouvertüre« ist sogar eine Weltersteinspielung, die Partitur dazu hat anhand zahlreicher Quellen der Musiker, Komponist und Rott-Forscher Johannes Volker Schmidt vervollständigt
Das Gürzenich-Orchester ist mit dieser Art Musik durch seine lange Aufführungstradition der Musik von Mahler und Bruckner oder Alexander Zemlinsky bestens vertraut. Und auch Rott selbst stand schon auf dem Programm, zuletzt 2005 seine große Sinfonie in E-Dur, das Werk, das vor allem seinen Nachruhm begründete. Dirigent Christopher Ward zeigte sich sehr zufrieden in Köln: »Die feste Verwurzelung des Gürzenich-Orchesters im Orchester-Repertoire des späten 19. Jahrhunderts, seine lange und bemerkenswerte Tradition bietet die optimalen Voraussetzungen, diese kaum bekannte Musik in ihre ganze Breite und Vielfalt zu erkunden. Ich fühle mich geehrt, mit dem Gürzenich-Orchester diese Aufnahme gemacht zu haben.«
Hans Rott
Orchesterwerke Vol. 1
Hamlet-Ouvertüre (1876)
Ersteinspielung. Rekonstruiert von Johannes Volker Schmidt
Suite E-Dur (1876)
Präludium (Nicht zu langsam)
Langsam
Ein Vorspiel zu »Julius Cäsar« (1877)
Orchestervorspiel E-Dur (1876)
Suite B-Dur (1877)
II. Scherzo
IV. Finale. Sehr schnell
Pastorales Vorspiel F-Dur (1880)
Gürzenich-Orchester Köln
Christopher Ward Dirigent
Erschienen bei Capriccio
1 Audio-CD, Bestellnummer C5408
Verfügbar bei zahlreichen Streamingdiensten