»Plötzlich klingt Bruckner ganz modern«
Lieber François, Du interpretierst mit dem Gürzenich-Orchester alle Bruckner-Sinfonien unter dem Motto »Bruckner, der Moderne«. Wie kam es dazu?
Als ich bei meinem Antrittskonzert 2015 das erste Mal mit dem Gürzenich-Orchester Bruckner gespielt habe, war mir sofort klar, dass wir alle Sinfonien aufführen müssen. Der Klang des Orchesters passt fabelhaft zu diesem romantischen Repertoire. Wir haben damals damit begonnen, die raumgreifenden Sinfonien Anton Bruckners mit Meilensteinen der Moderne zu konfrontieren. Damit greifen wir die Tradition unseres Orchesters auf und beschreiten gleichzeitig neue Wege. Das ist für die Zuhörer wie für uns Musiker eine spannende Erfahrung, ein Experiment: Plötzlich klingt Bruckner ganz modern und wir erleben, wie weit er seiner Zeit voraus war.
Welche Aspekte in Bruckners Musik weisen in die Zukunft?
Es sind vor allem die faszinierenden Dimensionen des Klangs, die Bruckner zum Leben erweckt. Die Verwendung von Harmonie, aber auch von Rhythmus. Bruckner lässt in seinen Sinfonien ein regelrechtes Klang-Magma entstehen, indem er das Innenleben der Klänge formt. Ein Hörerlebnis, das die Spektralmusik gewissermaßen vorausnimmt. Bruckner weist uns damit den Weg zu den Werken von György Ligeti, Gérard Grisey oder Georg Friedrich Haas. Bruckner war eine absolute Ausnahmefigur und bleibt bis heute ein Mysterium.
Welche Beziehung hast Du zu Soleil vert von Graciane Finzi?
Soleil vert ist ein sehr wichtiges Stück für mich. Als junger Mann war dies meine erste Begegnung mit echter Avantgarde – ein unvergessliches Erlebnis! Ein Cluster mit fast 100 Musikern zu erleben, war in den 1980er Jahren ein positiver Schock. Dieser erste Eindruck ist mir bis heute in Erinnerung geblieben und ich bin gespannt, wie ich dieses Stück heute als erwachsener Mann erleben werde.
»Ferner Spiegel« ist das kommende Abokonzert betitelt, bei dem François-Xavier Roth »Soleil vert« von Graciane Finzi (in der Deutschen Erstaufführung!) mit der 7. Sinfonie von Anton Bruckner kombiniert.